Die Flucht
Als sich
das Kriegsglück unseren Feinden zuneigte, wurde die Lage der Dorfbewohner, meist Frauen, Kindern und
alte und kranke Menschen, in unserer Gemeinde immer Schwieriger.
So kam
für uns alle das verhängnisvolle Jahr1944.
Nachdem es den Russen gelungen war, die deutsche Frontlinie zu durchbrechen und
in Rumänien einzudringen, versuchte Rumänien noch zu retten was zu retten war.
Aus diesem Grund wurde die deutschfreundliche Regierung abgesetzt und
verhaftet. Marschall Antonescu wurde liquidiert.
Somit
war auch das Schicksal König Michaels, der so sehr auf die Engländer und
Amerikaner gesetzt hatte, besiegelt. Er wurde verhaftet und musste auf den Thron
verzichten. Später wurde er des Landes verwiesen. Er zog mit seiner Familie in
die Schweiz ins Exil, wo er bis zum heutigen Tag lebt und über die Fehler die er
gemacht hat, nachdenken kann.
Unter
dem Druck der Kommunisten erklärte Rumänien seinem zum damaligen Zeitpunkt
Verbündeten, dem Deutschen Reich, den Krieg.
Dies bedeutete für den Deutschen Volksstamm, das wir vogelfrei waren und das man
sich vor Übergriffen der Russen und deren Gefolge, auch der Rumänen retten
musste.
Sie holten sich, was nicht niet- und nagelfest war und die deutsche
Zivilbevölkerung musste froh sein, wenn es dabei nur bei der Plünderung blieb.
Da in
den meisten bäuerlichen Betrieben der Deutschen, Pferde und Fuhrwerk requirtiert,
und falls nicht requirtiert, gestohlen waren, war die ländliche Bevölkerung fast
ihrer gesamten Fortbewegungsmittel beraubt.
Leider kam der Aufruf von Seiten der
Deutschen Volksgruppenleitung, die Flucht vor den Russen in Richtung
Reichsgebiet anzutreten, viel zu spät. Nun musste man warten, bis von deutscher
Seite aus ein Gegenangriff erfolgte, damit für einige Stunden die Strassen nach
Jugoslawien offen gehalten wurden, um die Heimat dann so schnell wie möglich zu
verlassen.
Als in der Nähe von Detta ein deutscher Major von Partisanen gefangen
genommen wurde, stießen die deutschen Truppen in einem Korridor bis in die
Gegend von Temeschburg vor, um den Major zu befreien. Doch leider konnten sie diesen
nicht finden und befreien. Doch durch diesen Vorstoß in den Korridor, der nun
offen stand, hatte die Zivilbevölkerung nun die Möglichkeit zu fliehen.
Mit ein paar Habseligkeiten, hauptsächlich die nötigsten Gegenständen des
alltäglichen Lebens die man, wenn man Glück hatte, bei Bekannten oder Verwandten
noch schnell mit auf den Wagen werfen konnte, begann dann die Flucht.
In einem Aufruf wurde darauf hingewiesen, das es sich nur um eine vorübergehende
Flucht handeln sollte. Man rechnete mit ein paar Tagen, bis sich die Lage wieder
einigermaßen beruhigt hatte, dann sollte man wieder nach Hause zurückkehren.
Doch leider stellte sich doch schon bald heraus, das es kein zurück mehr gab, da
die Front immer näher an die Flüchtlingstrecks heranrückte.
Manche
hatten noch ein bis zwei Kühe an den Wagen gebunden, um diese mitzunehmen.
Da man kaum noch kräftige Pferde besaß und die Wagen übervoll beladen waren,
wurde bald festgestellt, das die Kühe das Vorankommen nur behinderten, indem sie
sich von den Pferdegespanne ziehen ließen. Da nun große Eile geboten war, wurde
die Kühe vom Wagen losgebunden und ihrem Schicksal überlassen, denn man hörte
bereits das dumpfe Grollen der Artillerieabschüsse.
Die
Flüchtlinge kamen ebenfalls mehrfach in den Beschuss der feindlichen Artillerie.
Zum guten Glück hatten die Flüchtlinge aus Birda noch keine menschlichen
Verluste zu Beklagen. Zusätzlich wurden sie mehrfach von den Tito-Partisanen
belästigt. Wenn die Flüchtlinge nicht in sicheren Orten untergebracht waren,
überfielen die Partisanen die Trecks und plünderten die Fahrzeuge der
Flüchtenden.
"Flüchtlingstreck" |
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Die
Flucht aus Birda 1944
13.09.1944 sind aus Birda 320 Landsleute, einige auch mit dem Pferdewagen,
zur Flucht aufgebrochen.
Der Weg führte sie in der Nacht über Detta,
Denta,
Stamora und Morawitza zur jugoslawischen Grenze.
In den Morgenstunden
überquerten sie die Grenze nach Jugoslawien und weiter ging es nach Vatina.
In Vatina wurde erst mal eine Rastpause eingelegt. Viele der Flüchtlinge, die
selbst kein Fuhrwerk hatten, liefen neben dem Wagen her, wenn sie sich kaum noch
auf den Beinen halten konnten, wurden die Plätze getauscht. Nun mussten wieder
andere laufen, um die Gespanne nicht noch mehr zu überlasten und damit man
schneller vorankam.
Der Weg
führte sie weiter über Margita nach Zichydorf.
Bei unserer Ankunft in Zichydorf befanden sich schon Flüchtlinge in der
Gemeinde. Da man wusste, das noch mehr Flüchtlinge zu erwarten waren, hatte man
schon vorgekocht und wir konnten somit unsere erste warme Mahlzeit in Empfang
nehmen. Der Flüchtlingstreck wurde über Nacht in der Gemeinde untergebracht.
Am 14.09.1944 zog der Treck bereits um fünf Uhr Früh über Georgshausen,
Heiderschütz, Konak, Boka nach Setschan wo sie
übernachten konnten.
Am
15.09.1944 ging es dann weiter über Sartscha, Ernsthausen
nach Lazarfeld, wo wir die Nacht verbrachten.
Am nächsten Morgen den 16.09.1944 fuhren sie dann über Siegmundfeld, Etschka,
Altetscka, Perles nach Rudolfsgnad, wo sie am
Sonntag Mittag, bevor sie über die Theiss nach Ungarn fuhren, noch einmal etwas
zu essen bekamen. Der erste Ort den sie dann in erreichten war Tittel.
Dann ging es weiter nach Tünteresch, Saikasch, Sehtiwan und
Josefsdorf.
Vom 17.09.1944 auf 18.09.1944 übernachtete der Flüchtlings-Treck in Boldog.
Weiter ging es dann über Gospodin nach Temerin.
Die Nacht zum 19.09.1944 verbrachten sie in Altker.
Anschließend
ging es weiter über Kisker, Werbas, Neu Werbas, Kula
bis Tscherwenka, wo sie bis zum 28.09.1944 blieben und sich etwas
erholen konnten.
Die Zugtiere und die Flüchtlinge hatten diese kurze Rast
dringend nötig.
Nach dieser Ruhepause fuhren sie am 28.09.1944 über Alt Siwatz,
Neu Siwatz, Sombor bis Örszallas (Stanischitz) wo sie von der
Feldküche versorgt wurden. Beeinträchtigt durch das starke Regenwetter waren die
Lehmstrassen stark durchweicht und ein schnelles Fortkommen war deshalb nicht
mehr möglich, deshalb entschloss man sich zu verweilen. In Örszallas
trennten sich einige Flüchtlinge von der Kolonne und fuhren per Bahn weiter.
Sie blieben dann bis zum 06.10.1944. Anschließend führte der Weg weiter
über Waschkut bis Baja, wo die Donau überquert wurde. Sie
fuhren dann noch bis Bataszek, und legten dann dort die Nachtruhe auf
einer großen Wiese im Freien ein.
Am 07.10.1944 ging es dann weiter über Mocseny Bonyhad, bis
Aparhant.
Am 08.10.1944 ging es über Mucsfa, Tevel, nach Högyösz,
wo sie in der Nacht auf der Kuhpußta ankamen und diese Nacht im Kuhstall der
Pußta verbringen mussten.
Am 09.10.1944 fuhren sie weiter über Csibrak, Dözs,
Szakal nach Tamasch wo sie übernachteten.
Bereits am 10.10.1944 fuhren sie dann über Iregsemicse Sagvar nach
Balatonkiliti wo sie die Nacht verbrachten und schon am 11.10.1944
über Siofok weiter zogen und 12.10.1944 in Balatonkenesse
am Plattensee hinter Vesprem übernachteten.
Die Flucht führte am 13.10.1944 über Mako, Dewercse,
Döskewer nach Janoschhazsa, wo dann auch genächtigt wurde.
Weiter ging es dann am 14.10.1944 über Kischsomlyo nach
Borgata, wo sie die Nacht zubrachten.
Am 15.10.1944 fuhren sie über Gerese, Sarwar, Babassönje
nach Alscho Baatiy.
Bei ihrer Ankunft wurde ihnen gleich mitgeteilt, das
der Flüchtlingstreck sofort weiterfahren musste, da in Ungarn die Regierung
gestürzt worden war. Aus diesem Grund fuhren sie die ganze Nacht weiter.
Der Weg
führte sie über Hövesopronkeweszö, Nagyink und Kophasa.
In
der späten Nacht zum 16.10.1944 kamen sie nach Heiligenkreuz in
Österreich an. Dort wurden sie in einer Schule untergebracht und konnten
somit 24 Stunden rasten. Sie wurden verpflegt und bekamen Futter für die
Zugtiere.
Am 18.10.1944 mussten sie wieder nach Ungarn zurück. Sie fuhren über
Sopron nach Klingenbach und Wulkaprodersdorf.
Dort trafen sie
die anderen Birdaer wieder, die sie Aprahant verloren hatten.
Der Treck ging
weiter über Grosschöflein, Mühlendorf, Neufeld und Pottendorf. Die Nacht zum
18.10.1944 mussten sie wieder im Freien verbringen.
Andertags am 19.10.1944 fuhren sie über Teesdorf, Gönselsdorf,
Leobersdorf, Hirtenberg nach Berndorf, wo
Übernachtungsmöglichkeit bestand.
Am 20.10.1944 ging es dann weiter über Kaumberg, Hainfeld,
Traisen, Rohrbach nach Wilhelmsburg mit Übernachtung im
Freien.
Nun ging es weiter nach St. Pölten, hier gab es ein gemeinsames
Mittagessen und auch wieder Futter für die Tiere. Ihr Fluchtweg führte weiter
über Prinzersdorf, Grossierning, Loosdorf nach Melk.
In Melk
wurden sie freundlich empfangen und bekamen auch etwas zu essen. Während die
alten Leute und die kleinen Kinder im Stift übernachten durften, schliefen die
anderen im Park auf oder unter dem Wagen bei den Pferden.
Die Behörden wiesen
den Flüchtlingen am 22.19.1944 Quartiere in den Gemeinden im Kreis Melk zu.
Ein Teil der Birdaer fuhren über Erlauf, Neusarling bis Berging,
wo sie einquartiert wurden.
Weitere Birdaer wurden noch in Ibbs, Kemmelbach, Erlauf, Neusarling,
Blindenmarkt, Pöchlarn, Petzenkirchen und Wieselburg untergebracht.
Nun war die Flucht erst einmal zu Ende, denn es wurden auch noch die letzten
Pferde, die die den Flüchtlingstreck bis hierher begleitet haben, von der
Deutschen Wehrmacht gegen einen Berechtigungsschein geschätzt und beschlagnahmt.
Nach
dieser sechswöchigen Flucht fanden die Birdaer zum ersten mal wieder ein
Zuhause, denn man war unter Landsleuten, die die gleiche Sprache sprachen, auch
wenn man zu diesem Zeitpunkt als Flüchtling nicht gerne gesehen wurde.
Leider
sollte die Rast und Ruhe nur ein halbes Jahr dauern, denn im April 1945,
als der Krieg allmählich seinem Ende entgegenging, begaben sich die Birdaer
wieder auf die Flucht, um endlich ins Reichsgebiet zu gelangen.
Ein großer Teil unserer Landsleute wurde auf dem Fluchtweg mit der Bahn in
Grenznähe zum Deutschen Reich transportiert. Ein anderer Teil der Birdaer kamen
von Österreich nach Niederbayern in den Kreis Pfarrkirchen, wo sie
untergebracht wurden und das Kriegsende miterlebten.
Wieder begann ein beschwerlicher Weg in eine ungewisse Zukunft. Die Flüchtlinge
waren nirgends willkommen. Solange die Bauern Arbeit für die Flüchtlinge hatten,
war man froh an ihnen, den sie kosteten nicht viel. Es wurde ihnen dach über dem
Kopf zur Verfügung gestellt, das meistens aus einem Zimmer bestand, egal wie
viele Personen darin hausten.
Für die geleistet Arbeit erhielten die Flüchtlinge das Essen und ab und zu gab
es je nach Laune der Bauern ein Trinkgeld, dies stellte jedoch die Ausnahme dar.
Sozialversicherungen und sonstige Abgaben wurden für sie nicht entrichtet. Es
gab Fälle in denen die Flüchtlinge auch schikaniert wurden.
Ein
zweiter Teil von 94 geflüchteten Landsleuten, die sich in Österreich
befanden, wurden von der russischen Besatzungsmacht gegen ihren Willen wieder in
die alte Heimat zurücktransportiert, wo sie sich wieder Flüchtlinge waren.
In der
alten Heimat angekommen, konnten sie ihre ehemaligen Häuser nicht beziehen, da
sich bereits Rumänen einquartiert hatten und alles, was noch vorhanden war, zu
ihrem Eigentum gemacht hatten.
Sie mussten deshalb bei Verwandten oder Bekannten, die zurückgeblieben waren, um
Unterschlupf und Verpflegung bitten. Durch deren Hilfe konnten sie die erste
schwere Zeit in der alten Heimat einigermaßen meistern. Es dauerte einige
Monate, ehe die Familien wieder ihre von den Rumänen geräumten Häuser beziehen
konnten.
Aus den
Aufzeichnungen geht hervor, das durch die Flucht vieler Gemeindemitglieder, die
Gemeinde Birda um die Hälfte ihrer Mitglieder geschrumpft ist.
Unsere
Todes -
Opfer während der Flucht
Name |
geborene |
geboren |
gestorben |
Rubel Elisabeth |
Rauh |
31.10.1899 |
08.04.1945 Amstetten/Österreich
vom Panzer Erdrückt |
Tillisch Eva |
Scherer |
09.10.1919 |
19.02.1947 in Jugoslawien |
Wallbert Heinrich |
|
31.12.1907 |
23.04.1945 von Partisanen erschlagen |
Beschluss:
Am 21.
März 1945 wurde die Bevölkerung durch das Ministerium darauf hingewiesen, das alle versteckten
Bilder und Materialien aus der Zeit vor dem 23. August 1944, die das Verhältnis
mit den Deutschen beurkunden können, sofort vernichtet werden sollten, sofern
dies noch nicht geschehen ist.
Man wollte mit dieser Maßnahme unnötige
Differenzen mit den Alliierten vermeiden.
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