Das Banater Dorf
Ein
großes Stück Heimat waren die Gassen.
Mit Maß und Zirkel angelegt, verrieten sie
auf den ersten Blick, das jeder Giebel, jeder Baum und jede Brücke über dem
Gassengraben sich in die Ordnung der Gasse sich einzufügen hatte.
Schnurgerade liefen sie dahin, um auf die "Hutweide" zu führen und um das Dorf
mit dem "Hotter" zu verbinden. Die stillen, trauten Winkel gab es nicht, dafür
aber die wohltuende Breite. Es verlohnte sich auf eine Kirchturm zu
steigen und ins Land zu schauen.
Die Gassen führten ihr Eigenleben und fühlten sich als ein abgeschlossenes
Ganzes. Sie nahmen Abschied von Auswanderern, begrüßten die Heimkehrenden,
traten bei Taufe, Hochzeit und Begräbnis hervor gaben Auskunft über das
herkommen, den Sozialstand und das Volkstum ihrer Bewohner, z.B. die
Zigeunergasse, die Walachengasse, die Häuslergasse. Auf den Gassen war auch ein
großes Stück Heimat der Kinder. Sie war eine Erzieherin der Gemeinschaft und ein
Spielplatz.
Täglich trabten durch die Gassen, schön der Reihe nach, die Rinder,
Kälber, Schweine, Pferde und Schafe auf die Hutweide, dennoch waren die Gassen
immer von unvergesslicher Sauberkeit.
Wer mehr
von den Banater Menschen wissen wollte, muss einen Blick über die Zäune tun, die
Häuser betreten und dort Umschau halten.
Nachgerühmt wurde ihnen die Sauberkeit, die Ordnung, ihre nüchterne
Zweckbestimmte, auf die Wirtschaftlichkeit ausgerichtete Anlage, und die Liebe der
Menschen zu Haus und Hof.
Letztere wurde im Sinn für das schöne, in den Blumenbeeten der Vorgärten, an den
Spalierpflanzen unter den Gängen und an den bemalten Wänden sichtbar, wenngleich
es sich bei den Mustern der Wandmalerei vielfach nur um Schablonenarbeit der
Zimmermaler handelte. Das Wohnhaus wurde über den "Gang" betreten, der sich der
Länge oder im Winkel nach, entlang der Hofseite erstreckte.
"Unterm Gang" spielte sich im Sommer über, ein Stück des Lebens ab.
In vielen Häusern sorgten Weinreben oder Spalierobst für erholsamen Schatten,
und wenn die Früchte reiften, für rechte Augenweide.
Nicht mindere Sorgfalt war auch dem Hof zugedacht. Er war streng getrennt von
seinem rückwärtigen Teil, der Scheuer, dem Wirtschaftshof.
Zur Giebelseite hin lag die gute Stube, das Paradestück der Hausfrau. Gass´ auf
und
Gass´ ab hatte diese Stube überall das gleiche Gesicht und war immer
feiertäglich.
Zwischen den Fenstern stand ein schöner großer Schubladenkasten, der meist mit
einem selbstgeschlungenen weißen Kastentuch bedeckt war und auf dem
auch die geheiligten Bilder und "Zeichen" des Lebens und des Todes ihren Platz hatten. Rechts
und links in den Fensterecken standen die Betten, darüber hingen die Heiligen-
oder Ahnenbilder.
Die Betten waren stets hoch getürmt, mit Polster und Tuchenten
und mit einem schönen Überwurf bedeckt. Zudecken und Kissen waren prall gefüllt mit
Gänsefedern und stets mit den schönsten Bettüberzügen des Hauses überzogen. In so einem Bett zu schlafen war eine schwäbische Kunst,
und wer die nicht verstand, stand müder auf, als er zu Bett gegangen war. Vor
den Betten stand entweder je eine lange Bank oder jeweils zwei schöne
Holzstühle. In der Mitte der Stube stand ein Tisch, dieser bedeckt mit einem in
Farbe und Muster den Bettdecken gleichen Tuch.
Rechts und links neben den Betten stand dann je ein großer verzierter Kleiderschrank, der sogenannte "Schiffonär".
Meist rechts vom Stubeneingang steht eine "Kischt"
(Truhe), sie bietet auch Sitzgelegenheit und reicht mit einem Ende an den
schön bemalten Lehmofen, der von der Küche aus mit Maislaub oder Stroh geheizt wird.
Über die Kischt hägt ein Zapfenbrett auf denen die schönen Handbemalten Tellern
und Tassen ausgestellt sind. An den Fenstern sind selbstgefertigte weiß
bestickte oder gehäkelte Vorhänge angebracht die auch ev. bis zum
Boden reichen.
Der
Giebel der Häuser, sofern er noch aus früheren Zeiten stammte, zeigte
bäuerliche vereinfachte barocke Formen, die zu den Barockformen in der Tracht
und zum Teil auch in der Lebensweise der Banater Schwaben in wundervollem
Einklang standen.
Vor dem Giebel war das gerne aufgesuchte Ruheplätzchen, wohin man nach
mühevollem Tagwerk gerne ging, um auf der Gassenbank die Hände in den Schoß zu legen und
sich
auszuruhen. Lange blieb dort keiner allein, denn es gab immer jemanden der sich
dazugesellte.
An Sonn- und Feiertagen war die "Reih" vor dem Giebel versammelt, Männer und
Frauen aus der Nachbarschaft oder aus der Verwandtschaft trafen sich gern zu einem
Schwätzchen.
Selbstverständlich musste er blank und sauber sein und erhielt deshalb
kaum weniger Pflege als die Räume im Hause. War der Giebel staubig, beschmutzt
oder gar blass in seiner Farbe geworden, musste er sich bald wieder in aller
Anständigkeit zeigen. Vom Giebel her wurde gern auf die Hausfrau geschlossen.
Home • Nach oben • Allgemeines - II.