Mein Dorf
Vom Dorf, drin ich
geboren,
trieb weit mich das Geschick;
das Dorf, das ich verloren,
Grüßt jetzt im Traum mein Blick.
Die
Eichen stehn noch immer
dort auf dem Bergesthron,
es spielt der Abendschimmer
durch ihre Blätterkron.
Die
Gasse fließt hinunter
wie sonst der stille Bach,
die Weiden wiegen munter
ihm noch ihr grünes Dach.
Dort
gar die alte Weide,
inwendig morsch und hohl,
einander waren beide
wir einst vertraut gar wohl.
Voll
kindlicher Gedanken
in sanfter Abendruh,
sah oft ich still dem Schwanken
in ihren Ästen zu.
War
dann im Staub der Gassen
die Herde Heimgekehrt,
so stieg der Mond, der blasse,
aus Bäumen wie verklärt.
Aus
tiefem Himmelsgrunde
kam langsam Stern an Stern,
es schliefen in der Runde
die Felder nah und fern.
Ich
schritt in süßen Träumen
dann oft den Hof entlang,
und schuf an meinen Reimen
in frühem Liederdrang.
Gelagert wiederkäute
das Rind im Hofrevier,
und wedelnd ging zur Seite
der alte Hektor mir.
Die
Schnitter aber aßen
im Haus ihr Abendbrot,
und schwatzten und vergaßen
des Tages Müh´ und Not.
Ein
Graukopf rief: "Erhalte
uns, Gott, der Arbeit Lohn!"
Begraben liegt der Alte
seit vielen Jahren schon.
Vom
Dorf, drin ich geboren,
trieb weit mich das Geschick;
das Dorf, das ich verloren,
Grüßt jetzt im Traum mein Blick.
Des
Lebens bittren Kummer
daheim empfand ich nie;
es rauschte mich in Schlummer
der Baum der Poesie.
Mit
Blüten überstreute
er reich mein kindlich Haupt,
das Dorf, es steht noch heute;
der Baum drin - ist entlaubt.
©
Michael Albert